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Mieterkommunikation 4.0

„Die digitale Transformation ist längst in der mittelständischen Wohnungswirtschaft angekommen“. Diese und ähnliche Aussagen dominieren mittlerweile Online Portale und Fachmagazine.

Ein wesentlicher Ansatz ist hier die die Vereinfachung und Beschleunigung der Kommunikation zwischen den beiden Partnern Mieter und Vermieter, und dies auf der Basis sogenannter Mieter/Vermieter –Apps.

Doch wie sieht die Realität aktuell aus? Welche Ansätze und Lösungen gibt der Markt heute her? Und welche Faktoren sind objektiv betrachtet zu berücksichtigen?

1. Größtmögliche Benutzergruppe

Mieter sind keine homogene Gruppe. Neben soziodemografischen Unterschieden sind auch unterschiedliche Mobilgeräte in der Anwendung. Daher sollte dieApp über möglichst alle eingesetzten Endgeräte verfügbar sein. Egal ob PC, Laptop, Tablet oder Smartphone – die volle Funktionalität muss automatisch immer auf dem jeweiligen Format des Endgerätes gewährleistet sein. Allein eine Begrenzung auf eines der drei führenden Betriebssysteme  Android, iOS und Windows führt schon zu einer erheblichen Einschränkung der potentiellen Anwender.

Ein weiterer Faktor ist die Usability und die Performance der App. Generell muß die App leicht und bequem für den Anwender zu benutzen sein. Einerseits sollten die einzelnen Funktionen sich selbst erklären und intuitiv aufrufbar sein, kein Nutzer liest gerne seitenweise Handbücher, andererseits  haben Anwender mittlerweile einen hohen Anspruch an die Geschwindigkeit einer App. Ein langsamer Aufbau der Benutzeroberfläche oder das mehrere Sekunden dauernde Warten auf eine Rückmeldung  der App führt schnell zur Ungeduld und Frustration des Anwenders. Auch der barrierefreie Einsatz der App sollte gewährleistet sein. Eine Erweiterung der Interaktionsmöglichkeiten von Touch- und Texteingabe durch Spracheingabe und Ausgabe sollte vorhanden oder erweiterbar sein. Die einfache Installation der App über die App-Stores erleichtert dem Benutzer den Zugang und die Akzeptanz.

Letztendlich hängt die erfolgreiche Integration einer Mieter/Vermieter –App von den Nutzungsmöglichkeiten ab – denn ohne sinnvolle Nutzung keine (Be)-Nutzer!
Wichtig ist hier der Blick durch die Brille der Mieter. Sie sind diejenigen, die einen klaren Nutzen durch die App erfahren möchten. Nur wenn eine App mir als Mieter meine Aufgaben leichter schneller, komfortabler oder einfach nur bequemer macht, werde ich diese auch anwenden. Einige Beispiele  sind u. a.:

  • ein schneller Zugriff auf alle relevanten Unterlagen. Wie  bspw. die letzte und vorletzte Nebenkostenabrechnung, ohne hier klassisch mehrere Ordner und Schubladen durchsuchen zu müssen
  • auf Knopfdruck alle Müll-, Wertstoff- und Sperrmülltermine für mein Objekt im Blick, vielleicht mit Erinnerungsfunktion
  • die rechtzeitige Information zu Wartungs- und Reparaturarbeiten an den Gemeinschaftseinrichtungen, wie z. B. Aufzug, Treppenhaus, Keller, Außenanlage, etc.
  • die Kommunikation von Problemen und Rückfragen
  • ein Ticketing-System, welches mir jederzeit den Stand der laufenden Anfragen, bzw. Prozesse auf mein Mobilgerät kommuniziert

Um hier nur die wesentlichen aufzuzeigen.

2. Native-, hybride- oder Web-App

Unter der Prämisse möglichst viele Anwender zu erreichen und einen qualitativ  hochwertigen Service zu bieten, ist eine native App die erste Wahl. Native Apps vereinnahmen alle Vorteile unter einem Dach, die mobile Endgeräte bieten. Neben der intuitiven Benutzeroberfläche, dem schnellen Zugriff (Welcher nur durch den genutzten Prozessor und den Arbeitsspeicher eingeschränkt wird) und der Funktionalität im Offlinemodus (wenn mal kein Funknetz oder W-LAN zur Verfügung steht) haben native Apps einen entscheidenden Vorteil: sie agieren sozusagen auf Betriebssystem-Ebene, sie sind speziell für das Betriebssystem des jeweiligen Endgerätes programmiert.  Dadurch können native Apps auf alle plattformspezifischen Hard- und Softwarefunktionen über definierte Programmierschnittstellen des Betriebssystems (APIs) direkt zugreifen. Dies erweitert die Funktionalität einer Mieter/Vermieter –App erheblich. Aktuelle Smartphones  bieten hochauflösenden Displays, hohe Sprachqualität, die Möglichkeit Informationen via Foto, Video, Sprache, Dateien, Bluetooth und W-LAN auszutauschen.

Und gerade hier zeigen sich die Stärken einer nativen App in der konkreten Anwendung. Neben der Möglichkeit die Eingabe von Schadensmeldungen via Foto, Video oder Sprache zu vereinfachen, kann das Thema Zählerstände nicht nur optisch via Scan oder Foto auszulesen, sondern auch über spezifizierte Funkschnittstellen via Bluetooth oder WLAN, ein zukünftiger Kostenvorteil für Mieter und Vermieter sein .  U. a. müssen keine zusätzlichen und kostenintensiven  Ablesegeräte angeschafft werden, da in absehbarer Zukunft die integrierten Ressourcen der Mobilphones immer stärker genutzt werden. Auch wird dadurch das Thema der Authentifikation von Zähler, Mieter und Objekt eine wichtige Rolle spielen, um rechts- und datensichere Zählerstände online zu übertragen. Demgegenüber ist der  klassische Nachteil einer nativen App der höhere Entwicklungs- und Pflegeaufwand.

Hinsichtlich der Kosten haben sogenannte WebApps klare Vorteile. WebApps lassen sich betriebssystemübergreifend entwickeln und nutzen den jeweiligen Browser des Endgeräts als Benutzerschnittstelle. Die Performance ist hier stark von der jeweiligen Netzqualität abhängig und die Gestaltung der Benutzerfreundlichkeit wird auf die Möglichkeiten des Browsers reduziert. Die direkte Nutzung der Hardwareressource des Endgerätes (Foto, Video, Gyroskop, etc.) ist mit einer WebApp nicht möglich. Wenn demnach der Anspruch an die Funktionalität eine Mieter/Vermieter –App über die einfache Kommunikation via Webchat und das Bereitstellen allgemeiner Informationen hinausgeht, kann dies durch eine WebApp nicht geleistet werden.

Die Alternative können hier in Zukunft sogenannte Hybrid Apps sein. Diese vereinen die Vorteile von nativen Apps und WebApps unter einem Dach. Basierend auf einer Browser WebApp kann diese mittels  plattformübergreifenden Entwicklungstools, sogenannte Frameworks in eine native App umgewandelt werden. Der Zugriff auf die Gerätehardware kann durch entsprechende Javescripte umgesetzt werden. Diese müssen auf das jeweilige Betriebssystem angepasst werden. Hier liegt auch das Problem der Hybrid App. Wie stark, bzw. umfangreich ist das eingesetzte Framework und welchen nativen Kenntnisstand hat das Entwicklerteam? Gerade bei einer hohen Funktionalität einer Mieter/Vermieter –App können die Anfangs eingesparten Entwicklungskosten hier zu einem Bumerang-Effekt führen und letztendlich in einer zunehmenden Benutzerfrustration und höheren Folgekosten münden.

Gerade im Hinblick auf eine langfristig angesetzte digitale Transformation ist es an dieser Stelle wichtig, hier von vornherein die eigenen Parameter sehr sorgfältig zu definieren, potentielle Entwicklungen im Focus zu behalten und dann eine tragfähige Kosten/Nutzen Planung zu erstellen.

3. Die Anbindung an das eigene Geschäftsmodell – das Backend

Der Erfolg einer Mieter/Vermieter –App ist  zum einen maßgeblich von der Nutzung durch den Mieter abhängig, zum anderen ist die Integration in die eigenen, bestehenden Geschäftsprozesse der Faktor, welcher mittelfristig im Unternehmen zu einem wirtschaftlichem Plus führt. Schon die digitale Transformation von Teilbereichen die Mieterkommunikation und Mieterverwaltung kann hier mittelfristig kostenmindernd wirken. Eine aktuelle Studie des Beratungsunternehmens Deloite zeigt auf, dass erhebliche Einsparpotentiale allein in dem Segment Schadensbearbeitung liegen (Quelle: Artikel in der Süddeutschen Online vom 16.11.2017  – http://www.sueddeutsche.de/geld/mieter-apps-der-bessere-draht-zum-vermieter-1.3751225).

„Termine abstimmen. Die Abnahme nach der Reparatur – alles könnte digital laufen, und viel schneller.“

Weitere Segmente wie die Betriebskostenabrechnung, das Dokumentenmanagement, die Einbindung von Partnern (Affiliate Marketing), und das Angebot zusätzlicher Leistungen, wie bspw. ein an Lebensphasen orientierter Wohnungswechsel innerhalb des eigenen Bestands, freiwerdende Stellplätze, etc. bieten weitreichende Möglichkeiten der  zusätzlichen Wertschöpfung. Ausschlaggebend wie und in welcher Größenordnung diese Wertschöpfungsprozesse greifen, ist die Integration der Mieter/Vermieter-App in betriebliche Arbeitsprozesse und eine durchgängige Datennutzung ohne Medienbruch.

Die Grundlage ist, dass die vom Mieter erfassten Daten automatisch mit der bestehenden Software (ERP, CRM, etc.) abgeglichen werden.  Cloudbasierte Systeme sind hier im Vorteil, weil sowohl in der Verwaltung als auch mobil stets auf den gleichen Datenbestand zugegriffen wird. Auch werden so von vornherein redundante Anfragen vermieden, Portokosten durch die digitale Dokumentenbereitstellung reduziert und Serviceanfragen lassen sich prozessoptimiert mit internen Systemen verknüpfen.

Andere Lösungen verwenden Online-CMS-Systeme zur Steuerung der Datenkommunikation und greifen über definierte Schnittstellen via Push/Pull-Verbindung auf die unternehmensinterne Verwaltungssoftware und Datenbank zu. Dies hat den Vorteil, dass die im Unternehmen gelernten Abläufe schrittweise an den digitalen Transformationsprozess angepasst werden können.

 

4. Doch welche Lösungsansätze gibt es auf dem Markt?

Der Markt für Mieter/Vermieter –Apps ist erst im Aufbau. Erste Lösungen kommen sowohl von etablierten Systemhäusern der Wohnungswirtschaft, kleineren Startups sowie direkte Eigenentwicklungen einzelner Wohnungsgesellschaften. Aktuell lässt sich hier eine qualitative Bewertung nicht abgeben, da zum einen verschiedene Lösungsansätze erst in der Testphase sind, zum anderen lassen sich die einzelnen Unternehmen nicht gerne in die Karten schauen. Von außen betrachtet zentrieren sich die wenigen im Appstore und Playstore angebotenen Apps um das Thema Schadensmeldung und Stammdatenmanagement. Und deren Download-Zahlen liegen noch nicht im nennenswerten Bereich. Letztendlich wird der Erfolg einer Mieter/Vermieter –App an der Nutzung und am Nutzen gemessen. Und hier ist nicht nur das Look & Feel der App entscheidend, sondern vor allem die Anpassung der internen Prozesse auf das neue Kommunikationsmedium. Denn nur wenn der Kunde Mieter sich wohl fühlt, eine wirkliche Vereinfachung verspürt und die eigenen Mitarbeiter die neuen Kommunikationsprozesse leben und täglich anwenden wird eine Mieter/Vermieter –App Erfolg haben. Gerade im Hinblick auf eine langfristig angesetzte digitale Transformation ist es wichtig, hier auf modulare Systeme zu setzen, damit Mieter und Vermieter Zeit haben, sich auf diese Veränderungen einzustellen. Cb_20180627